Kinderwagen als Freifahrtsschein (30.8.2014)

Um es vorweg zu nehmen: Es geht hier nicht um Kinderfeindlichkeit, sondern um das Verhalten von Eltern, sobald sie einen Kinderwagen vor sich herschieben dürfen. Außerdem ist zu betonen, dass nicht alle so sind…

 

Ich weiß nicht, ob man alles auf die hormonelle Übersteuerung in den Schaltzentralen von stolzen Eltern schieben kann. Oftmals spielt wohl auch zusätzlich die Unterentwicklung des Denkapparates mitsamt der fast gleichnamigen Funktion des Mitdenkens eine entscheidende Rolle.

Frischgebackene Muttis und Vatis ticken eindeutig anders, sobald das vier-, oder sportive dreirädrige Gefährt samt Nachwuchs vor dem Bauch hergeschoben wird.

 

Da wird gleich einmal mittig der gesamte Fußweg okkupiert, als hätten sie mit dem Vorgang der Geburt oder beim Kauf der Kinderkutsche ein alleiniges Nutzungsrecht für sämtliche Gehwege der Stadt gepachtet. Nur widerwillig wird einem dann als Passant noch ein Streiflein an Pflastersteinen überlassen, und das auch nur mit schwerlich unterdrücktem Augenrollen. Oder man wird eben dazu verdonnert, direkt auf die Straße auszuweichen…egal, wie sich die irritierten Autofahrer dabei echauffieren mögen, aber das interessiert ja das Elternglück nicht.
Manchmal fühlt man sich wie ein Mensch zweiter Klasse, der seinen Weg nicht frei und möglichst gefahrlos wählen darf.

 

Lustig wird es auch, wenn es darum geht, wo man denn den Kinderwagen im Mehrfamilienhaus parken könnte. Besonders spannend wird diese Angelegenheit, wenn gleich 3 Familien Zuwachs erhalten haben. Da geht es fast wie bei Tetris zu.
In einem Haus, wo es aufgrund von Brandschutzbestimmungen selbst verboten ist, bei Regen seinen Schirm trotz ausreichend verbleibenden Platzes direkt vor der Tür trocknen zu lassen, stellt man die Wagen trotzdem direkt rund um die Eingangstür auf und blockiert zusätzlich die Kellertür, sodass man mit größeren Dingen wie einem Fahrrad nicht ohne umständliches Rangieren der Gefährte zu den Katakomben gelangt. Und das nur, weil die Eltern zu faul sind, ihren Wagen die 10 Stufen nach unten zu rollen, was wirklich machbar wäre. Man muss sich nur Mühe geben.
Und wenn dann doch mal ein Buggy in den Keller wandert, dann natürlich vor die Kammern der anderen Mieter oder vor die wichtigen Gasanschlüsse. Man wäre ja schön blöd, sich die eigene Kellerzelle zu verstellen.
Aber da beschwert sich eben keiner, obwohl sich sicher so manch anderer genauso aufregen wöllte.
Da sind ja schließlich Babys beteiligt und man würde sofort als kinderfeindlich abgestempelt werden.
Hallo?! Das hat nichts mit den Kindern zu tun, die ja wohl kaum Einfluss darauf ausüben können, sondern schlichtweg mit der Unfähigkeit mancher Erzeuger, einfach mal logisch und weniger bequemlichkeitsorientiert zu denken.
IHR SEID NICHT ALLEIN, auch wenn es unter euren rosaroten Scheuklappen so anmuten mag!

 

Interessant finde ich auch, wenn sich Eltern beim Überqueren der Straße durch das forsche Vorschieben des Kinderwagens selbst gegenüber kräftemäßig überlegenen Vehikeln die Vorfahrt erzwingen wollen.
Klar bremst man als Autofahrer ab…und der Weg ist frei.
Vielleicht gehen ja die Eltern davon aus, dass um sie herum eine schützende Glocke aus abweisender Materie existiert, die alle Gefahren wie Schmutzwasser auf einer Lotusblume abperlen lässt. Wer weiß? Ich würde mich jedenfalls nicht auf diese Annahme verlassen, sei die Welt auch gerade noch so rosarot und babyblau.

 

Unverschämt wird es, wenn Mütter die für sie im Wege sitzenden gehbehinderten oder gar rollstuhlfahrenden Mitmenschen böse mustern, nur weil sie auf den entsprechenden Plattformen in einer überfüllten Bahn keinen Platz für ihr protziges, völlig überdimensioniertes Ungetüm auf vier Monstertruck-Rädern finden.
Machen Se ma Platz!“, wird dann in den Raum gerotzt , als ob das an der Platzsituation etwas sonderlich ändern würde.
Auch in Elternzeit verlieren Freundlichkeit und das Wort Bitte nicht an grundsätzlicher Bedeutung.

 

Mensch Leute, nehmt doch mal Rücksicht! Das macht die Kunst des Miteinanders aus. Ein Kinderwagen ist jedenfalls kein Freifahrtsschein.


6 responses to “Kinderwagen als Freifahrtsschein (30.8.2014)

  • maxmalz

    … da hat wohl jemand üble Erfahrungen hinter sich? 😀

    Dennoch stimme ich dir zu. Das ist nicht nett. Sag es den Leuten doch mal (nett!). Vielleicht sind diesen Ellis die Kriterien gar nicht klar.. und auch mal vorbildlichen Umgang loben!
    mm

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  • senftopfherausgeber

    Danke für Dein Interesse an meinem Blog!

    Naja, oft bin ich nur in der Lage des stummen Beobachters, was meine Beiträge betrifft.

    Und Du hast recht: Freundliches, aber bestimmtes Tadeln und anerkennendes Lob sollten passend und im rechten Maße vorgetragen werden. Nur das motiviert zu Besserung oder zum Halten des Niveaus.

    Diese Methodik versuche ich weitgehend, wenn überhaupt in der jeweiligen Situation umsetzbar, in mein Leben einzubinden.
    Ich bin kein Mensch, der unsinnig herummosert und nur das Schlechte im Menschen sieht und sehen will…im Gegenteil. Manchmal verlaufe ich mich leider im Labyrinth des Glaubens daran, dass nicht alle so schlimm sind und werde dann hin und wieder eines Besseren bzw. Schlechteren belehrt. Schade.

    Die Beiträge dienen deshalb ein Stück weit als Ventil, um mein Unverständnis über das rücksichtslose Benehmen zwischen Menschen (egal, ob ich dabei direkt involviert bin, oder nicht) herauszulassen und vielleicht auf Gleichgesinnte zu treffen oder Diskussionen anzustoßen.

    Und Du hast auch damit recht:
    Man muss mit den Menschen reden und nicht alles in sich hineinfressen.

    Nebenbei:
    Ich bin sehr umgänglich und nicht alles, was böse klingt, meine ich auch so knallhart. Das ist meine schreiberische Art, die von einer Prise Sarkasmus, Zynismus und Ironie gewürzt wird.
    Aber anders rüttelt es auch nicht wach, oder? (-:

    Vielleicht trifft man sich hier im Blog mal wieder…

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  • motessa

    man sollte vielleicht mal in die Schuhe des anderen treten. Ich schlage vor, du leihst dir den Wagen von jemandem aus, stecktst eine Puppe rein und machst mal alle deine Gänge mit diesem Ungetüm, gerne auch mit Zwillingswagen. Wie oft musste ich den Wagen vor der Tür stehen lassen weil die Tür zu schmal war. Hielt ich dann die Tür offen um wenigstens die Kinder von drinnen im Auge zu behalten bekam ich ab und zu böse Blicke zu spüren. Nätürlich können sie nichts für die alte Tür, ich aber auch nicht! Tramfahren im Feierabendverkehr, mehr als einmal musste ich das nächste nehmen weil sich die Leute nicht bequemten ein wenig auf die Seite zu treten damit ich auch Platz hatte. Im übrigen lässt sich ein Rad einfacher die 10 Treppen runter- und wieder hochfahren als ein Kinderwagen. auch deshalb weil ein Kinderwagen häufig mehrmals täglich in Gebrauch ist – im Gegensatz zu den meisten Velos! Einkaufen und den Wagen neben all den Einkaufswagen, die dazu abgestellt sind weil sich der Inhaber was im Regal nebenan holt, ist nochmals ein Thema. Bin gespannt auf deine Erfahrungen, vielleicht revidierst du ja deine Ansichten hinterher!

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    • senftopfherausgeber

      Zunächst einmal Grüße an die Schweiz!

      Mit Gegenargumenten habe ich gerechnet. Und das ist auch gut so.
      Ich versuche meistens das Für und Wider einer bestimmten Situation einzubinden, auch wenn oftmals aus meiner Sicht betrachtet eben das Negative besonders hervorgehoben wird, weil es nun einmal dominierte. Verallgemeinern möchte ich nichts!

      Ich möchte gern auf Deine Einwände eingehen:

      Erstens:
      Meine Beiträge muss man nicht auf die Goldwaage legen. Wie ich an verschiedenen Stellen geschrieben habe, bediene ich mich gern bei Sarkasmus, Zynismus, Ironie und ein wenig zugespitzter Schwarzmalerei als künstlerische Stilmittel, weil sie das unterstreichen, was ich im Alltag erlebe.
      Wer sich dennoch extremst auf den Schlips getreten fühlt… darf gerne konstruktiv und sachlich Einspruch erheben. (-:

      Zweitens:
      Es musste sich auch nicht jeder mit Kinderwagen angesprochen fühlen. Daher auch der beschwichtigende Eingangstext…eben weil ich aus Erfahrung weiß, dass manche nur das lesen, was sie herauslesen WOLLEN und deshalb das ein oder andere in den falschen Hals bekommen könnten. Und das möchte ich nicht.

      Drittens:
      Das mit den Schuhen der anderen, gebe ich gern wieder zurück (aber nur an die, die sich angesprochen fühlen sollten). Auch an Nicht-Kinderwagen-Schieber darf gedacht werden. Wir sind ja alle Menschen.
      Mir ging es auch nicht rein um die Unannehmlichkeiten, die anderen aufgehalst und als selbstverständlich tragbar hingestellt werden (siehe Fahrrad oder das Versperren anderer Kellerräume), sondern vor allem um den Umstand, dass anscheinend Brandschutzbestimmungen beim „Parken“ von Kinderwagen in Wohnhäusern außer Kraft gesetzt werden, obwohl sonst schon ein kleiner Schirm die Fluchtwege versperren würde. Seltsam, oder nicht?

      Viertens:
      Ich habe nie bestritten, dass es einfach ist, mit Kinderwagen den Alltag zu bestreiten. (Darum ging es im Text auch nicht.) Trotzdem genießt man dadurch noch keine Sonderrechte (siehe Gehweg…). Oder sehe ich da etwas falsch?
      Und ja, natürlich bringe ich mein Fahrrad immer in den Keller und lass es nicht im Treppenhaus stehen. Wenn nötig auch mehrmals am Tag. Dieser Einwand Deinerseits ist mir im Kontext nicht ganz schlüssig. Magst du es mir noch einmal erklären?

      Fünftens:
      Bei der Problematik in der Straßenbahn habe ich mich ausschließlich darauf bezogen, dass es im beschriebenen Fall um einen gehbehinderten Menschen ging, der nicht einfach mal vom Behelfssitz springen konnte…zumal die Bahn eben auch voll war.
      Aber ich kann dein Anliegen voll verstehen, dass manche Menschen diese Stellplätze mutwillig nicht räumen wollen. Das ist nicht okay und sehe ich genauso wie Du! Wenn mir solch eine Situation zu Augen gekommen wäre, dann hätte ich auch darüber geschrieben…zugunsten der Mutti mit Kind.

      Zuletzt noch:
      Man muss bei allen Dingen, die einem wiederfahren, objektiv beide Seiten betrachten. Das gelingt uns allen vielleicht nicht immer gleich gut, aber manchmal reicht es auch schon, wenn man es etwas distanzierter anschaut.

      Nicht hinter jedem harten Wort steckt gleich ein Nackenschlag.

      Hin und wieder hilft auch schon AUFMERKSAMES LESEN. Vieles steht offensichtlich da (zum Beispiel Einleitungen), manches nur in den Zwischenzeilen und das ein oder andere ist im Kontext der Gesamtheit (sprich meinem Blog als Ganzes) zu finden.
      Aber letzteres ist das Problem: Wenn man nur Bruchstücke aufnimmt, kann vieles auch danebengehen und dann haben wir den Salat: Der andere ist ja so doof und engstirnig.
      Gerade diese Oberflächlichkeit (bitte jetzt nicht persönlich angesprochen fühlen) ist doch so gefährlich, was Konfliktpotential betrifft.
      Meinst du nicht auch?

      Vielleicht magst du ja trotzdem noch im Blog stöbern. Du bist jederzeit dazu eingeladen!

      P.S.:
      Meine Ansichten zu den beschriebenen Fällen (!) werde ich nicht revidieren (können), weil sie eben jeweils so zutreffend waren und es auch in Zukunft sein werden.
      Wie gesagt: Es kommt auf die Situation an und nicht auf mutwillige Verallgemeinerung.

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  • NathalieK

    Hihi, interessant mal die andere Seite zu hören. Über meine Abenteuer als kinderwagenschiebende Mami habe ich unter http://ganznormalemama.wordpress.com/2014/08/06/aufreger-mit-dem-kinderwagen-unterwegs/ geschrieben. Ich danke dir für deinen Post, denn als Mama schwebt man tatsächlich oft in einer rosaroten Mamawolke. Naja als Mama von 2 Jungs ist sie bei mir himmelblau :-))

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    • senftopfherausgeber

      Hallo Nathalie,

      schön, dass du so offen eingestellt bist und auch die andere Seite ein bisschen verstehen kannst. Diese Anerkennung „von der anderen Seite“ bedeutet mir viel!

      Und es freut mich auch ungemein, dass Du anscheinend auch alles aufmerksam gelesen hast und dir nicht nur ein paar markante „böse“ Textstellen aus dem Kontext gefischt hast, um diese im Anschluss mangelhaft zu sezieren… Bei meinen Texten kommt es auf das Ganze an.

      Außerdem mache ich das doch gerne…die Nebel aus rosaroten/himmelblauen Wölkchen ein bisschen von den Augen zu wischen. Ich helfe gern und wo ich kann! (-:

      Wenn ich Zeit habe, schaue ich mal bei deinem Beitrag vorbei und betrachte die Umstände dann einmal aus elterlichen Augen.
      Dass es nicht einfach ist, habe ich ja schließlich nie bestritten.

      Vielleicht liest man sich hier mal wieder.
      Alles Gute für Dich und Deine Sprösslinge!

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