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Wegbereiter (17.09.2016)

 

 

Stelle dir, geneigte(r) Leser(in), vor, alles wäre gut, quasi in Butter, wie man so schön zu sagen pflegt, alles würde an dir vorbeiplätschern, ohne dass sich Anstößiges oder aus der Reihe fallende Fremdkörper darin finden lassen würden, an welchen es sich lohnen könnte, anzuecken, und alles in einen wohlig und angenehm illuminierenden Lichtschein getaucht wäre, wie man ihn sich vielleicht im Paradies vorstellen würde. Jeder würde im vollkommenen Einklang mit den Dingen schwelgen.

Würdest du, werte(r) Leser(in), daran etwas ändern wollen?

Nein?

Das klingt überaus vernünftig.

Doch wie sieht es im Menschen tatsächlich aus…

Ist er wirklich für Stagnation geschaffen, oder ist sein wahres Wesen nicht doch explorativer und verändern wollender Natur? Wäre es nicht ein Graus, gebunden in einem Idyll- einem goldenen Käfig- verharren zu müssen, nur weil sich nichts ändern dürfte, weil es gut ist, so wie es bisher war? Verkümmert nicht im gleichen Zuge das, was ihn in seinem wahren Kern ausmacht, ginge er nicht wenigstens ein einziges Mal das Risiko ein, dass hinterher nicht mehr alles in einer wattig-wolkigen Aura schweben würde, sollte er gegen den Stillstand rebellieren und aufbegehren wollen?

Was den Menschen voranbringt sind die Unzufriedenheit, ein ernsthaftes wie auch banales Ärgernis oder ein still gehegter Groll, welche in ihrem sinngebenden Wesen zu kreativen Bewältigungsstrategien, das Einschlagen neuer Wege oder zur Interaktion miteinander antreiben.

Unzufriedenheit und Ärger stellen in gerichteter Form den Impulsgeber dar, der uns aus einer alles festfahrenden Lethargie zu entreißen vermag, bevor der Karren entgültig im zähen Morast versinkt und jegliche Motivation nach Veränderung abtötet. (Vermeindliche!) Vollkommenheit macht träge und schläfrig und lässt nicht das volle Potential entfalten, das ein jeder Mensch in sich trägt.

Es ist kein Frevel, sich der verlockenden Schönheit eines Momentes hingeben zu wollen. Doch es wäre sicher Sünde, scheinbar satt und zufrieden unentdeckt zu lassen, was noch im Verborgenen liegt und dich als Menschen (auch und insbesondere charakterlich) weiterbringen könnte.

 

Ich würde gern noch ein Schritt weitergehen wollen.

 

Sollte nach außen hin kommunizierte Wut oder ein Neigen hierzu gänzlich negiert und als charakterliche Schwäche abgetan werden? Ist der gerichtete Ausbruch eines Vulkans an seiner schwächsten Stelle (das emotionale Grundgerüst eines Menschen) nicht Bedingung für eine Entspannung im Inneren eines ansonsten ringsum verschlossenen Raumes, aus welchem auf anderem Wege als der vollständigen Zerstörung nichts entweichen könnte? Fühlen wir uns nicht deutlich besser, wenn wir dieser Emotion Bahn brechen und dem Rezipienten auf den Tisch knallen, was uns schwer auf Seele und Herz lastet? Geht es danach nicht allen Beteiligten besser, wenn sie wissen, wo jeder steht?

Und führt uns die Wut über uns selbst nicht am besten vor, dass man etwas ändern muss, um sich vor anderen nicht mehr selbst vorführen lassen zu müssen?

Wut* ist ehrlich. Sie lässt zwar leicht irrational werden, doch hält sie nichts von dauerlächelnden Visagen, die alles nur wortlos schlucken, statt sich zu wehren und womöglich irgendwann feige und hinterhältig agieren, weil sie es nicht besser wissen (wollen).

Dabei kann ein simples (Streit)Gespräch, auch wenn es mindestens zu Anfang emotional geführt wird, am Ende doch alle insofern (seelisch) befriedigt zurücklassen, weil sich etwas aufgeklärt hat oder wenigstens die Karten offengelegt und möglicherweise bestehende Missverständnisse aus der Welt geschafft werden konnten.

 

Und schon sind wieder alle einen Schritt vorangekommen.

 

 

 

* Die Emotion an sich. Blinde Zerstörung (physisch und psychisch) als Folge eines sich unkontrollierbar auslebenden Aggressors möchte ich strikt ausklammern!