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Reise in die Vergangenheit- Norwegen im Schnelldurchlauf V (06.08.2016)

 

Vielleicht ist es euch schon aufgefallen: Ich fühle mich häufig nicht nur etwas fremd und aus der Zeit gefallen gegenüber der heutigen Moderne und deren Entwicklungen technischer und vor allem menschlicher Art- sehrwohl verfolge ich diese jedoch aktiv mit mehr oder minder stark ausgeprägten Interesse- ich stelle daher immer wieder fest, zumeist in Stunden der Muse, dass ich manchmal am liebsten in einer anderen Zeit geboren worden wäre. Ich stehe zu meinem inneren Anachronismus.

Natürlich handelt es sich dabei auch wieder nur um die damals tatsächlich vorherrschende Realität verzerrenden Eskapismus, so viel Verstand darf mir zugestanden werden, dennoch tät es mich reizen, einen neugierigen Blick hinter die Kulissen der Vergangenheit zu werfen. Eine Nasenklammer dürfte je nach gewähltem Zeitfenster nicht das größte Hindernis bei der Gepäckaufgabe am „Check-In“-Schalter darstellen.

Wie wäre es mit Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts? Ein ganz heißer Anwärter auf meiner heimlichen „muss-ich-mal-erlebt-haben“-Liste! Allein die Mode der bürgerlichen Gesellschaft war eine Wucht. Da könnte ich ins Schwärmen geraten.

So, und was hat dieses pseudoromantische Gefasel nun mit Norwegen zu schaffen?

Ganz einfach: Gern richte ich den Blick nämlich auch noch ein paar Umdrehungen weiter auf der Zeitspirale und treibe mich hin und wieder auf Mittelaltermärkten herum.

Und prompt kam ich also nach Trondheim (früher Nidaros genannt) und schon spazierte ich geradewegs in die Olavsfestdagene hinein. Mein kleines sehnsuchtsvoll-romantisch verklärendes Herzlein machte natürlich erst einmal ein kleines, freudig erregtes Hüpferlein.

Am Fuße des Nidarosdoms- übrigens ein wahrer Prachtbau mit daran allerlei zu entdeckenden Details*- fand ein anlässlich zu den Olavstagen aufgebauter Historisk Marked statt, den ich natürlich sofort erkunden musste. Aufmerksamen Lesern dürfte dieser bereits bei der Snack-Story über den Weg gelaufen sein.

Vom Stand mit den mit buntem Samtstoff bespannten Spitzhüten (im Mittelalter Hennin genannt) und den putzigen Feenzauberstäben konnte ich mich natürlich nur schwerlich lösen. Neben reichlich Pilgerequipment, Leder- und Eisenwaren, Süßkram und Stockfisch fanden sich auch immer wieder das (Kunst- und Bau-)Handwerk darstellende Personen, welche ein solcher dem ständigen Verfall obliegender Dom für seine Schönheitskuren auch heute noch benötigt.

Ein Steinmetz zum Beispiel werkelte an einer Statue herum und eine Dame schnitt und setzte Bleiglasfenster zusammen, was man heutzutage ja auch nicht täglich zu sehen bekommt.

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Unter kurios würde ich auch Folgendes verbuchen:

Ein Handwerker schnitzte an seltsamen Auswüchsen herum, die die Konsistenz von Holz besaßen. Auf Nachfrage bei seiner im Hintergrund weilenden Gattin konnte ich mir des Rätsels Lösung beinahe selber denken. Es handelte sich um Baumpilze, die vornehmlich von Birken stammten. Die Dinger sahen aber auch wirklich aus, als kämen sie direkt vom Mars! Ja, ja, die doofen Stadtkinder haben wieder keine Ahnung von der Natur ringsum….

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Und nun noch etwas für die Raucher unter euch:

Braucht jemand Feuer? Bitteschön!

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In diesem Sinne: Ha det bra!

 

 

 

* Ein Engel trägt sogar das Antlitz von Bob Dylan. Aufgrund dessen, dass das Bauwerk in der Vergangenheit in seinen unterschiedlichen existierenden Formen mehrfach durch Brände zerstört worden ist und es keine verifizierten Aufzeichnungen zu vielen Details gab und gibt, hat man angeblich bei der Rekonstruktion des Erzengels einfach den Musiker als Vorlage verwendet. Dieser hätte sich wohl sogar persönlich für diese Ehre bedankt. Keine Ahnung, ob Letzteres stimmt.

 

 

 

 


Der etwas andere Snack- Norwegen im Schnelldurchlauf IV (05.08.2016)

 

 

Heute mal etwas Passendes zur gleich anstehenden Primetime:

 

Naschwerk:

 

Welcher Mensch ist nicht schon mindestens einmal dem eigenen schwachen Fleische erlegen und maß bequem dahingefläzt*- dabei genüsslich Chips mümmelnd- die Länge des Sofas aus der waagerechten Position heraus aus?!

Wer sich nun ertappt fühlt, braucht jetzt nicht gleich schameserrötet und mit überlaut knisterndem Geraschel das Corpus delicti hinter der Rückansicht verbergen. Ich habe es eh schon gesehen! Gebt euch keine Mühe.

Aber vielleicht möchtet ihr ja auf einen etwas anderen Snack umsteigen? Der ist sicher gesünder, enthält wichtige Fettsäuren  und euren Salzhaushalt habt ihr nach einer Hand voll noch nicht einmal ansatzweise überstrapaziert. Und was für die alten Seefahrer gut gewesen ist, kann für euch nicht schädlich sein.

Klingt verheißungsvoll, nicht wahr?

Nun…lasst es mich jedoch ehrlicherweise so ausdrücken:

Solltet ihr euch nicht am Duft von Trimethylaminen stören, eine Komponente des berühmt-berüchtigten Fischgeruches, dann hätte ich da einen exklusiven Geheimtipp, an dem ihr unter Garantie etwas länger zu kauen haben werdet. Wie schnell verschwindet denn eine handelsübliche Chipstüte! Kaum geöffnet, ist sie auch schon wieder bis auf das letzte Krümelchen geleert. Das kann euch bei diesem Snack nicht passieren.

Ein Mitreisender hatte den Selbstversuch gewagt- er erfreute sich übrigens bezüglich dieses Belanges auch einige Zeit später noch bester Gesundheit- und sein Erfahrungsbericht endete dahingehend, dass die Kostprobe von ihm geschätzte 20 Minuten lang im Mund verblieben ist, um sie ständig kauender- und einspeichelnderweise doch noch gen Magen befördert zu bekommen.

Es handelte sich um Stockfisch, ein typisches Produkt von den Lofoten, wo das Klima derart passend ist, dass die Konservierung von Fisch (insbesondere Dorsch) alleinig durch die Trocknung erfolgen kann. Man entfernt lediglich den Kopf und kehrt das Innerste (des Meeresbewohners natürlich!) nach außen. Danach ist der Fisch hart wie ein Brett. Im Gegensatz dazu gibt es noch den Klippfisch, der jedoch eröffnet und zum Zwecke der Entwässerung einer Salzung unterzogen wird, bevor an die frische Luft gehängt wird.

Früher stand in den Küchen der Holzhütten ein dicker Hackklotz, auf dem das getrocknete Produkt brachial zerteilt wurde. Exemplare dieser grauen Vorzeit kann man jetzt noch in diversen Freilichtmuseen in Augenschein nehmen. Dazumal wurde der Fisch auch eher nicht als profaner Snack verzehrt, sondern war Hauptbestandteil der Mahlzeiten. Man weichte ihn über längere Zeit ein- z.B. in Wasser oder auch Milch- und kochte ihn ganz normal, sobald er seine weitestgehend ursprüngliche Konsistenz wiedererlangt hatte.

Norwegen exportierte den Stockfisch in großen Mengen und auch heute noch schätzt man ihn gerade in Portugal und Spanien bzw. allgemein in der Mittelmeerregion. Bacalhau ist eines der Nationalgerichte Portugals schlechthin und es gibt davon wahrscheinlich mindestens genauso viele Rezepte wie das Jahr Tage hat.

In Norwegen und Island isst man den Trockenfisch aber auch gern roh, als Snack oder Zwischenmahlzeit.

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Vielleicht hat der ein oder andere nun Blut geleckt. Ich könnte es aber genauso gut verstehen, solltet ihr bei Chips und Erdnussflips bleiben wollen. Den Odeur, der mir an einem solchen Stockfischstand entgegengeschwebt war, kann man schon als etwas speziell bezeichnen. Aber womöglich verhält es sich wie mit einem ollen Stinkekäse: Viele der besonders geruchsintensiven Kandidaten stinken mehr, als dass sie letztlich danach schmecken.

 

Also denn: Håper det smake!

 

 

P.S.: Alternativ hätte ich auch noch Folgendes für die Süßmäuler unter uns:

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Knäckäpplen vom Trondheimer Historisk Marked (Olavsfestdagene). Echte Plombenzieher!

 

 

 

* Oh wie liebe ich den Duden, der dieses Wort folgendermaßen umschreibt: In nachlässiger Haltung halb sitzend. Da erscheint der Vorgang des sich der vollkommenen Faulheit Ergebens gleich viel weniger schlimm.