Diese Frage hat mich ein wenig in die Bredouille gebracht und mich als Hinter-dem-Mond-Bewohner entlarvt, als was mich so mancher nun abstempeln mag.
„Nein“, war meine schlichte Antwort und kramte zur Unterstützung meiner Aussage meinen Knochen hervor, wie vor Kurzem einer mein Handy mäßig liebevoll, aber zugegebenermaßen irgendwie auch treffend betitelte. Ich sehe das sportlich.
Der Knochen ist tatsächlich ein paar Jahre alt, entstammt aber schon einer neuzeitlichen Phase ohne Steinplatte, Meißel und Antenne.
Außerdem ist es definitiv handlicher, als so manch neumodisches Ungetüm.
Und ja, es kann sms versenden und ich kann selbstverständlich damit telefonieren.
Nein, die Wäsche kann es noch nicht bügeln und auch der Abwasch bleibt an mir persönlich hängen.
In Zeiten der rapiden Fluktuation von Elektronikartikeln- egal ob durch den aktuellsten Trend oder vorprogrammierte Defekte bedingt- bin ich da wohl eine der Ausnahmen, die diesem konsumgeilen Diktat noch zu widerstehen versuchen.
Eine beistehende Smartphone-Nutzerin nickte jedenfalls anerkennend und wünschte sich seufzend im selben Atemzug ganz weit weg von dieser selbst auferlegten elektronischen (Fuß)Fessel!
Ist das nicht traurig?
Man möchte etwas nicht und doch holt es einen immer wieder ein. Weil man meint, es zu brauchen, weil man meint, etwas zu verpassen, ….?
Sind es die ganzen Annehmlichkeiten wert, die einem reißerisch geboten werden und die uns doch nur immer fester an diese digitale Welt der Ziffern 0 und 1 ketten?
Die Welt wird globaler, in vielen Dingen einfacher; in manchen Dingen aber auch wieder komplizierter und wir isolieren uns selbst.
Wer hat nicht schon mal erlebt oder gesehen, dass Freunde und Familienmitglieder direkt nebeneinander sitzen und sich, die Augen starr auf den kleinen Bildschirm vor sich gerichtet, gegenseitig nichts mehr zu sagen haben…
Ein gemütliches Beisammensein zu viert:
von 1 „Was machst du gerade?“ SENDEN
von 2 „Ich sitze im Café und genieße ein Eis.“ SENDEN
von 1 „Das ist ja lustig. Ich auch. Wie schmeckt dein Eis?“ SENDEN
von 2 „LOL. Ganz gut.“ SENDEN
von 1 „Darf ich mal kosten?“ SENDEN
von 2 „WIE, DU BIST AUCH HIER IM CAFÉ?!“ SENDEN
von 1 „Ach, sorry, die Nachricht war gar nicht für dich.“ SENDEN
von 1 „Darf ich mal kosten?“ SENDEN
von 3 „Von meinem Cappuccino? Gerne. Aber warte mal kurz. 4 ruft gerade an.“ SENDEN
Zugegeben: Das fiktive „Gespräch“ ist überspitzt dargestellt…
Könnte man meinen…
Ich glaube, dass das im Prinzip auf die Art und Weise so selten nicht vorkommt.
Die Technik macht vieles möglich, was man sich vor Jahren noch nicht hätte träumen lassen. Vieles ist nur einen Klick weiter ohne viel Anstrengung erreichbar. Und das ist sicher nur der Anfang.
Ist es denn nicht auf Dauer langweilig, wenn man nicht hin und wieder spürt, etwas geschafft zu haben und dabei doch mal den Finger etwas mehr dafür krümmen musste? Sicher mag dies Ansichtssache sein, aber ein bisschen reales Leben mit all den Hindernissen und Ecken, an denen man sich stoßen kann, ist doch auch nicht verkehrt.
Man stelle sich vor, wie irgendwann in der Zukunft jeder für sich in den Wohnungen und Häusern dahinvegetiert und Computer alles für sich erledigen und nebenbei auch gleich für sich mitdenken lässt, ohne dass er/sie mal an die frische Luft treten müsste. Ist das erstrebenswert? Schon jetzt kennt man oftmals nicht alle Nachbarn, weil jeder anonym sein Muddelchen macht.
Schade ist auch, wenn schon der Nachwuchs alles um sich herum fast nur durch das digitale Auge wahrnimmt, anstatt sich mal durch den Schmutz zu wühlen.
Regelrecht grotesk mutet es an, wenn dabei das Smartphone fast dreimal so groß ist, wie die Hände, die es bedienen.
Schnell lässt sich auch schreiben, dass man kurzfristig nicht zum Treffen kommen kann, welches eigentlich schon lange und akribisch geplant worden war. Das geht im analogen Briefverkehr natürlich nicht so hoppla-hopp.
Aber verlieren wir dadurch nicht doch ein wenig an gegenseitiger Verlässlichkeit?
Die kurze „Sorry…“-sms dient als Alibi dafür, dass wir uns auch im letzten Moment noch dazu entscheiden können, gerade keinen Bock zu haben. Der andere wird es schon verstehen.
Bleibt nur die Frage, wie lange dieser das noch mitmacht. Freundschaften verlaufen sich schnell im Sande und wenn man dann mal wirklich verlässliche Menschen braucht, dann steht man plötzlich alleine da.
Es ist ein zweischneidiges Schwert.
Man kann ohne große Umstände Informationen austauschen, aus der Ferne Kontakt aufnehmen und auch persönliche Treffen initiieren, man kann aber auch in Oberflächlichkeit, Sinn-, Belanglosigkeit (man betrachte so manchen sms-, WhatsApp-Inhalt) und Unpersönlichkeit abdriften. Jedes Ding und jede Sache hat ein Für und Wider.
Auch hier macht wohl die Dosis sehr viel aus!
Frustrierend ist es auch für die medientechnisch „abgehängte“ ältere Generation, wenn sie für nähere Informationen doch bitte das Internet bemühen sollen, während die Berichterstattung eine Fülle an oberflächlich abgehandelten und Interesse weckenden Themen offeriert.
Gerade wenn das Format Senioren anspricht, müsste bei den Machern doch irgendwo im Hinterkopf herumschwirren, dass nicht jeder dieser Herrschaften einen Zugang zu Computer und weltweitem Netz hat, oder mal schnell zum Kind oder Enkel kommen kann, um diese für die Suche anzuheuern!
Wie bei Schwerhörigkeit fühlen sie sich ausgegrenzt und unbeachtet und ziehen sich als Randerscheinung der Gesellschaft (ob nun im kleinen oder großen Rahmen) immer mehr zurück, oder werden sogar zu verbitterten Griesgramen, weil sie sich berechtigter Weise als für blöd verkaufte Deppen sehen.
Viele trauen sich auch nicht an die „neue“ Technik, oder sehen keinen Sinn darin, sich „auf die letzten Jahre“ noch mit so etwas zu befassen. Aber haben Sie dadurch weniger Anrecht auf umfassende Informationen?
Es ist doch in jedem Zeitalter so gewesen, dass Neuerungen nicht sofort jeden erreichten oder sogar Angst bereiteten…man denke nur an das Teufelswerk Dampfmaschine.
Aber in einer schnelllebigen Gesellschaft wird oftmals darauf kaum mehr Rücksicht genommen.
Was heute brandneu, ist morgen schon veraltet.
Und da wird man eben schief angeguckt, wenn man sein museumsreifes Stück Elektronik aus der Tasche holt. Na, und? Dabei ist das schicke Smartphone von letzter Woche mittlerweile auch schon überholt. Also, warum sich Sorgen machen, wenn man jederzeit sowieso hinter den neusten Entwicklungen hinterherhinkt?!
Wozu sich und die Umwelt unnötig belasten, nur um sich nicht die Blöße vor Freunden, Kollegen und Fremden zu geben, weil man gerade mal nicht das Handy wie die Unterhosen wechselt?
Da gibt es doch genug anderes, worum wir uns Sorgen und Gedanken machen können und müssen.
Nebenbei wollen und müssen wir auch immer erreichbar sein, bzw. haben zumindest das Gefühl, dass es so wäre. Auch hier gilt: Man will ja nichts verpassen. Außerdem erscheint man ja voll wichtig, wenn jede Sekunde eine neue Nachricht mit deutlich wahrnehmbarem Signalton eintrudelt.
Aber das ist ein anderes Thema.
So bleiben wir Geißel unseres eigenen Anspruches und der (manchmal nur eingebildeten) Erwartungen von außen, immer up-to-date sein zu müssen.
Et voilà: So schleppen wir unsere selbst aufgeladene elektronische Fußfessel mit uns herum und wundern uns, warum dieser Ballast immer größer wird und jeder ganz allein sein Päckchen zu schultern hat.